Happy Birthday Feuerbach!
Einen ungewöhnlichen und mutigen Blick zurück wagte der Feuerbacher Betriebsrat in seiner Jubiläumsveranstaltung zum 100jährigen Bestehen des traditionsreichen Bosch-Standortes.
Ungewöhnlich wohl deshalb, weil der Betriebsrat in Eigenregie und nicht die Firmenseite eigens für die Belegschaft ein Programm auf die Beine gestellt hat, das mit den Worten abwechslungsreich und kurzweilig mehr hinreichend beschrieben werden kann.
Bei der Podiumsdiskussion mit Bosch-Chef Franz Fehrenbach, Alfred Löckle, Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrates, sowie dem Vorsitzenden der IG Metall, Berthold Huber ging der Blick in Richtung Zukunft.
So unterstrich Fehrenbach , dass die aktuelle Krise viel tiefer sei als alle früheren Krisen. Die konjunkturelle Talsohle sei zwar erreicht. Aber, so betonte er, "in einigen Bereichen kann es Jahre dauern, bis wir wieder das
Beschäftigungsniveau von 2007 erreichen." Deshalb würden die Kapazitäten auch in den kommenden Jahren nicht ausgelastet sein, woraus eine enorme Ergebnisbelastung resultiert.
"Was heißt das für die Beschäftigten?", wollte die Moderatorin des Gesprächs, die Journalistin Susanne Stiefel, von Alfred Löckle wissen. Für 2009, so der Konzernbetriebsratsvorsitzende, habe man sich mit
der Geschäftsführung darauf verständigt, mit der Stammbelegschaft durch die Krise zu kommen. Jetzt zeichne sich jedoch ab, dass die Bosch-Gruppe erst 2012 wieder das Umsatzniveau von 2007 erreiche. Löckle: "Für
den Betriebsrat ist das ein Signal, dass wir vor zwei schwierigen Jahren stehen."
Der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, betonte, dass sich der deutsche Sozialstaat in der Krise bewährt habe. Es habe keine konjunkturell bedingten Entlassungen in größerem Umfang gegeben. Dennoch bezahlten die
Beschäftigten durch Einkommenseinbußen in Folge von Kurzarbeit und ähnlichen Maßnahmen die Zeche. Huber forderte, dass die Verursacher der Krise zur Rechenschaft gezogen werden - und das seien nun mal weder
Belegschaften der Unternehmen noch die Bosch Geschäftsführung: "Eine Regulierung der Finanzmärkte ist dringend notwendig. Und zwar in Taten, nicht in Worten."
Weitgehende Einigkeit zwischen den Diskussionsteilnehmern herrschte auch in der Frage, wie die Wirtschaft, und insbesondere die Automobilindustrie, aus der Krise komme. Der Weg in die Zukunft führe vor allem über Innovationen.
"Forschung und Entwicklung bleiben auch in schwierigen Zeiten die Grundlage unserer Zukunftssicherung", hob Franz Fehrenbach hervor. Ausgaben, die Zukunft des Automobils betreffen, würden nicht gekürzt. Alfred Löckle
betonte: "Um Beschäftigung zu sichern, müssen wir es schaffen, schneller als der Wettbewerb innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Hier hat die Forschung und Entwicklung eine große Verantwortung." IG-Metall-Chef
Huber regte einen runden Tisch mit Vertretern von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, der Politik, Wissenschaft und Umweltverbänden an - mit dem Ziel, tragfähige Mobilitätskonzepte für die Zukunft zu entwickeln.
Bei der Veranstaltung ging der Blick jedoch nicht nur nach vorne. Der Betriebsrat des größten und zugleich ältesten noch bestehenden Bosch-Standorts weltweit wollte das Jubiläum auch nutzen, um "unsere bewegte, stolze
und von vielen Kämpfen geprägte Geschichte aufzuarbeiten".
Den Anfang machte der Feuerbacher Betriebsratsvorsitzende selbst. In seiner Festrede stellte Hartwig Geisel die Meilensteine der vergangenen 100 Jahre dar - und zwar konsequent aus Sicht der Arbeitnehmer. Er erinnerte an die
Einführung des Acht-Stunden-Tages, an entschlossen geführte Streiks, an die Anwerbung ausländischer Mitarbeiter, sprach über Revolten gegen das Fließband, über Tariferfolge, aber auch über Konflikte
zwischen den Mitarbeitern. Und er machte, indem er Fotos und Zitate vieler Zeitzeugen einstreute, die Vergangenheit lebendig.
Ebenso wie die Bosch-Theatergruppe, die die Gäste in ihrer Aufführung sehr authentisch auf eine Zeitreise durch die Geschichte der Feuerbacher Belegschaft mitnahm. Eine Belegschaft, wie der stellvertretende
Betriebsratsvorsitzende Roland Saur resümierte, "auf deren Leistungen wir stolz sind".
Letzte Änderung: 19.07.2013